Grundschüler haben viel Nachholbedarf
Im Gespräch mit Kirsten Schultze, ehrenamtliche Mitarbeiterin im Lorsbacher Schulkinderhaus und Beisitzerin der FDP Hofheim am Taunus.
Mitte August hat das neue Schuljahr in Hessen begonnen. Die Schulen haben nach Monaten des Homeschooling beziehungsweise einem Minimalbetrieb den regulären Betrieb wieder aufgenommen. Mussten sich die Kinder erst wieder an die Strukturen des Schulbetriebs gewöhnen?
Bei uns in der Grundschule hat schon vor den Sommerferien wieder Unterricht stattgefunden. Es ist normal, dass die Schüler*innen nach den Ferien gewisse Reibungsverluste haben. Aber ich habe den Eindruck, dass die Schüler*innen keine darüber hinausgehenden Eingewöhnungsschwierigkeiten haben. Im Gegenteil, sie scheinen sehr froh zu sein, wieder in den für sie normalen Strukturen zu leben und täglich mit ihren Mitschüler*innen interagieren zu können. Die Kinder brauchen meines Erachtens einfach den Kontakt mit Gleichaltrigen. Schule bedeutet ja nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Lernen durch Erleben, Austauschen und Handeln.
Die Abstands- und Hygieneregelungen zu vermitteln, dürfte gerade für die Kleineren schwierig sein. Welche Erfahrungen machen Sie hier?
Die Kinder sind größtenteils schon von zuhause aus und zusätzlich durch die Lehrer sehr gut auf die AHA-Regeln „eingenordet“. Sie achten oft sogar untereinander auf deren Einhaltung. Klar sind diese Regeln eine zusätzliche Chance, sich aufmüpfig zu zeigen, aber im Großen und Ganzen sind die Schüler*innen sehr sorgfältig.
Bei den Erst-Klässler*innen habe ich den Eindruck, dass die Corona-Regeln nur weitere neue Regeln des für sie eh bisher unbekannten Schulbetriebs sind. Sie kennen Schule nur mit Maske, häufigem Händewaschen und Abstand. Von daher haben sie damit erstaunlich wenig Schwierigkeiten.
Wir haben unser Konzept und unsere Abläufe sorgfältig an die bestehenden Regeln angepasst und bessern erforderlichenfalls nach. Insbesondere achten wir minutiös darauf, dass sich die einzelnen Klassen, auch auf dem Schulhof, nicht mischen. Der Schulhof ist in entsprechende Bereiche eingeteilt. Es ist schon entzückend zu beobachten, wie die Kinder sich dann mit Abstand über die Bereichsgrenzen hinweg unterhalten. Oder welche Anstrengungen sie unternehmen, um einen weggerollten Ball regelgerecht zurückzubekommen.
Die Evangelische Kirche in Lorsbach als Träger der Betreuungseinrichtung an der örtlichen Grundschule führt die zunehmende Berufstätigkeit von Eltern als Grund für das große Interesse an dem Betreuungsangebot an. Gerade diese Eltern wurden durch das Homeschooling vor besondere Herausforderungen gestellt, zumal Grundschüler*innen noch nicht in der Lage sind, sich Lehrinhalte selbstständig anzueignen. Stellen Sie bei den Kindern in der Betreuung Lücken fest, und wie gehen Sie damit um?
Ich würde gerne zunächst ein Missverständnis ausräumen. Die Betreuung im Schulkinderhaus ist nicht der verlängerte Arm der Schule beziehungsweise des Unterrichts. Wir sorgen dafür, dass die Kinder ihre Hausaufgaben in einer entsprechenden Atmosphäre anfertigen können und geben da auch soweit wie möglich Hilfestellung. Aber die Verantwortung für die Anfertigung der Hausaufgaben liegt immer noch bei den Eltern. Von daher sind wir schon personell gar nicht dafür ausgestattet, individuell Nachhilfeunterricht zu erteilen. Fällt uns bei der Hausaufgabenbetreuung auf, dass ein*e Schüler*in über ein akzeptables Maß hinausgehende Lücken hat, nehmen wir selbstverständlich Rücksprache mit der Lehrkraft, die die Probleme in der Regel auch schon aus dem Unterricht kennt. Genauso sprechen uns die Lehrer*innen an, wenn wir bei einzelnen Kindern auf einzelne Punkte besonders achten sollen.
Man darf auch nicht vergessen, die Kinder hatten, wenn sie zu uns kommen, vier bis sechs Stunden Unterricht. Sie essen bei uns zu Mittag und machen dann in der Gruppe Hausaufgaben. Damit ist ihre Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit auch erst einmal erschöpft. Sie müssen Sauerstoff tanken und Bewegungsdrang abbauen. Wir sind deswegen soweit wie möglich mit ihnen draußen auf dem Schulhof.
Wir bieten verschiedene Betreuungsmodule bis 17.00 Uhr an. Ein Großteil der Kinder ist bis 15.00 Uhr nach Hause gegangen. Da ist die Zeit bei uns sehr schnell vorbei.